Große
Unzeitgemäße in Ratzeburgs Kirchen
Werke und Ideen von Ernst
Barlach und Käthe Kollwitz stellt
eine große Sommerausstellung in den Ratzeburger Kirchen vor.
Ratzeburg. - Es waren zwei große Unzeitgemäße und
zwei große Leidende an der Welt: Ernst Barlach (1870 bis
1938) und Käthe Kollwitz (1867 bis 1945). In Ratzeburg
erinnern die Kirchen und die Ernst-
Barlach-Museumsgesellschaft an den schreibenden Bildhauer
und Zeichner und die Berliner Grafikerin. Beide haben sich
zwar gekannt und respektiert, waren aber nicht befreundet.
In Ratzeburg, im von ihm selbst „altes Vaterhaus" genannten
Fachwerkhaus, hat der Expressionist als Kind gelebt.
Die Ausstellung im Ratzeburger Dom, der Stadtkirche St.
Petri und der katholischen Kirche St. Answer wird am 4. Juli
mit einem Bischofsgottesdienst im Ratzeburger Dom eröffnet
und dauert bis zum 29. August. Aus aktuellem Anlass ist die
Schau Altprobst Uwe Steffen gewidmet, der vorgestern in
Ratzeburg gestorben ist.
Flankiert wird die Ausstellung von einem guten Dutzend
Veranstaltungen. Die prominentesten: Am 11. Juli um 12 Uhr
in St. Petri liest Günther Grass einige seiner Gedichte. Am
14. Juli lesen die früheren Tagesschau-Sprecher Dagmar
Berghoff, Jo Brauner und Wilhelm Wieben aus Briefen und
Tagebüchern von Käthe Kollwitz. Am 21. Juli kommt der
Theologe, Bürgerrechtler und Sozialdemokrat Friedrich
Schorlemmer aus Wittenberg nach St. Petri. Thema seines
Vortrages: „Kriegsverherrlichung in einem christlichen Dom?
Wie Ernst Barlach zum Pazifisten wurde." Ebenfalls in St.
Petri gibt es am 19. August eine Meditation in Wort und
Musik zum Barlach-Fries der Lauschenden von Prof. Dr. Rauhe
und Pastor Helge Adolphsen. Parallel zur Ausstellung läuft
das Jugendprojekt Go Young, das Schüler mit dem Werk der
beiden Künstler vertraut machen möchte. Gesucht werden von
der Barlach-Gesellschaft „Bilder, die uns wachrütteln und
Texte, die uns hinhören lassen". Mehr dazu unter Telefon 0
4103/9182 91 oder per Mail: kontakt@ernst-barlach.de.
Die Veranstalter suchen noch Bürger, die ehrenamtlich
Aufsicht führen. Sie sollen sich melden unter den Nummern 04
5 41/34 06, 89 17 65 oder 34 10.
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Fotos: E. G. Burmester
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„Bildungsarbeit im
besten Sinne"
LN-Interview mit Pfarrer Felix Evers
Ratzeburg. - Vom 4. Juli an gehen in Ratzeburg
Kunst und Kirche eine Symbiose ein. Die großen Kirchen
präsentieren Kunstwerke von Ernst Barlach und Käthe
Kollwitz. Motor der Ausstellung und Veranstaltungsreihe
ist der katholische Pfarrer für Ratzeburg und Mölln,
Felix Evers. Die LN wollen von ihm wissen: Warum Barlach
und Kollwitz?
Lübecker Nachrichten: Was wollen Sie mit dem
Barlach/Kollwitz-Projekt erreichen?
Felix Evers: Drei Ziele: Zum ersten möchte ich
die ökumenische Verbundenheit der Kirchen stärken. Wir
verbinden den Dom, die Stadtkirche St. Petri und die
katholische Kirche miteinander - alle sind
Ausstellungsräume. Auf diese Weise stärken wir die
Ökumene. Zum zweiten: Über die Kunstwerke von Barlach
und Kollwitz sollen Menschen Hilfe zur Lösung ihrer
eigenen Fragen erfahren. Die Urlauber, die im Sommer
nach Ratzeburg kommen, stoßen auf eine Anregung, über
eigene Lebens- und Existenzfragen nachzudenken. Deshalb
auch der Titel des Projekts: Grenzen der Existenz.
Schließlich drittens: Es gibt viele Vorträge. Das
Projekt ist auch Bildungsarbeit im besten Sinne. Wir
bekommen Referenten nach Ratzeburg, die sonst nicht
kämen.
LN: Wie hoch ist Ihr Etat?
Evers: Knapp 60 000 Euro, darin enthalten sind
auch die Referentenkosten und das Schul- und
Jugendprojekt. Die Versicherungsprämie bezahlt die
Barlach-Museumsgesellschaft. Wir haben mit knapper Not
noch Zuschüsse von Stadt, Landkreis und Land bekommen,
die im kommenden Jahr sicher nicht mehr geflossen wären.
Ohne die Hilfe vieler Sponsoren, zu denen ja auch die LN
gehören, hätten wir es nicht geschafft.
LN: Es gibt ja keinen Jubiläumstermin, keinen
runden Geburts- oder Todestag der beiden Künstler. Was
war denn der Anlass für das Projekt?
Evers: Der Vortrag des bekannten Jesuitenpaters
Prof. Dr. Friedhelm Mennekes, der seit Jahren Kunst in
seiner Kirche Sankt Peter in Köln ausstellt und uns
gezeigt hat, was für eine Symbiose daraus entstehen
kann. Das war im März vor einem Jahr. Seither arbeiten
wir an dem Projekt.
LN: Die Kunst von Barlach und Kollwitz erscheint
uns düster und schwermütig. Welche Wirkung wollen Sie
bei den Besuchern erzielen?
Evers: Gerade weil diese Kunstwerke abseits der
Spaßwelle wirken, können sie Trost spenden. Von diesen
Künstlern können sich Menschen ernst genommen fühlen.
Zudem ist die Stimmung, von der Sie sprechen, ja zurzeit
auch in unserer Gesellschaft spürbar.
LN: Wie wollen Sie diese beiden Künstler
Jugendlichen nahebringen?
Evers: Die Ausstellung läuft zum größten Teil in
den Ferien, aber auch in der letzten und in der ersten
Schulwoche. Ganz viele Lehrer waren schon da und haben
sich im Vorfeld über das Projekt informiert. Wir wollen
Schüler dazu anregen, sich mit dem Werk der beiden
Künstler auseinanderzusetzen. Das geht auch in der
Ferienzeit, weil viele nicht wegfahren und dafür viel
Zeit haben. Die Schüler können malen, modellieren, ein
Video drehen, ein Theaterstück schreiben, einen Song
komponieren - was immer sie wollen. Die Arbeiten werden
dann in den Herbstferien im Ratzeburger Rathaus
ausgestellt. ja
(Lübecker Nachrichten)
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Barlach-Kollwitz-Ausstellung lockte über 22 000 Besucher
Für Felix Evers (39) spielt der Barlach-Engel
eine zentrale Rolle in der Ausstellung: „Der steht
für Überwindung von Hass und Gewalt." Foto: kopy
Von Marc von Kopylow
Der große
Barlach-Kollwitz-Zyklus lockte Tausende in die
Ratzeburger Kirchen Dom, St. Petri und St. Answer sowie
in das Ernst-Barlach-Museum und das Haus Mecklenburg der
Stadt. Nun nähert sich die mit großem Begleitprogramm
unterlegte „Ausstellung" ihrem Ende. Sie wurde
organisiert vom Förderverein „Ernst-Barlach-Museum Altes
Vaterhaus in Ratzeburg" und der
Ernst-Barlach-Museumsgesellschaft in Wedel.
Seinen Abschluss findet der einzigartige Zyklus in einem
multireligiösen Friedensgebet im Dom am morgigen Sonntag
um 12 Uhr mit Vertretern aller großer Weltreligionen:
Buddhismus, Hinduismus, Judentum, Islam, Bahai sowie
Katholiken, Protestanten und Orthodoxe des Christentums.
Felix Evers (39), Vorsitzender des
Barlach-Fördervereins, zieht eine Bilanz:
Lübecker Nachrichten: Wie hoch war der Andrang
zur Ausstellung?
Pfarrer Felix Evers: Sehr viele Besucher melden
sich nachträglich und schreiben Mails oder Briefe, sogar
aus Chile. Durch diese Ausstellung sind viel mehr
Menschen nach Ratzeburg gekommen. Die Referenten, unter
anderem Friedrich Schorlemmer, Günter Grass und Helge
Adolphsen, waren voll des Lobes. Auch Helmut und Loki
Schmidt waren am 15. August im Ratzeburger Dom. Das fand
ich ein sehr schönes Zeichen. Und Familie Barlach ist
unendlich dankbar für diese Ausstellung, die es ihrer
Meinung nach in den nächsten 30 bis 40 Jahren hier nicht
wieder geben wird.
LN: Wie war die Resonanz auf die einzelnen
Ausstellungsorte?
Evers: Am meisten wurden der Ratzeburger Dom und die
Kirche St. Petri angenommen. Das liegt daran, dass im
Dom die Werke von Barlach und in St. Petri die Werke von
Kollwitz gezeigt wurden. Dazu kamen die meisten
positiven Rückmeldungen. Etwas verhaltener war die
Resonanz auf die Fotoausstellung im Haus Mecklenburg,
auf die Ausstellung von Barlach als Dramatiker im
Barlach-Museum und auf die Plakat-Ausstellung in der
katholischen Kirche. Gelobt wurde alles, vor allem das
ökumenische Miteinander.
LN: Welche Vorträge hatten nach Ihrer Meinung
die nachhaltigste Wirkung?
Evers: Sabine Hänisch. Ihr Vortrag über Käthe
Kollwitz hieß „Leider war ich ein Mädchen". Es ging um
Kollwitz Schwierigkeiten in der Zeit vor 100 Jahren, als
Künstler eine Frau zu sein. Der Vortrag war umwerfend.
Hänisch kommt aus dem Käthe-Kollwitz-Haus in Moritzburg.
Auch Friedrich Schorlemmer aus Wittenberg. Der Pastor
und Bürgerrechtler war ergreifend. Es ging nicht nur um
das Thema „War Barlach ein Pazifist?" Wie Schorlemmer
seine persönlichen Erfahrungen aus der DDR-Zeit
eingebracht hat, hat mich tief beeindruckt. Ich liebe
es, solche Zeitzeugen zu erleben.
LN: Haben sich die Erwartungen an die
überregional konzipierte Ausstellung erfüllt?
Evers: Ja, weil überregionale Resonanz kommt und
zwar durch Briefe aus dem Ausland und durch
Rückmeldungen aus ganz Deutschland.
LN: War es richtig, die Ausstellung in die
Ferienzeit zu legen?
Evers: Vollkommen. Ich habe erlebt, wie die
Urlaubsgäste mit dieser Ausstellung konfrontiert wurden
und sich den Ausstellungsstücken geöffnet haben. Das
Thema der Existenz Existenz sollte bewirken, Sinnfragen
zu stellen, wozu man oft nur im Urlaub kommt. Im
Alltagsstress nimmt man sich oft nicht die Ruhe, in so
eine Ausstellung zu gehen.
LN: Hat sich
das Konzept bewährt, die Ausstellung aus den
Museen heraus in
den Kirchenraum geholt zu haben? Ließe
sich so etwas zu
einem anderen Thema wiederholen?
Evers: Es
hat sich gelohnt, weil die Gäste in der Ausstellung
nicht nur die Kunstwerke, sondern auch den Raum der
Kirche und die Kirchenmusik erlebt haben. Das
spricht die Seele gleich dreifach an. Das kann ein
Museum allein nie schaffen. Aber ohne die
ehrenamtlichen Wächter, die Tag für Tag bereit
standen, wäre das Ganze sicherlich gescheitert.
Ich kann mir vorstellen, solch eine vergleichende
Ausstellung zu einem anderen Thema erneut in die
Kirche zu holen. Unsere Erfahrung ist, das die
Kirchen immer leerer werden, aber durch Kunst und
Musik immer voller. Die Menschen wollen mehr als
das, was wir ihnen bisher bieten. Diese Ausstellung
hat Menschen in die Kirche gebracht, die sonst nicht
in die Kirche gehen.
* * *
Multireligiöses
Friedensgebet beendete Ausstellung
Ernst Barlach - Käthe Kollwitz: Über die Grenzen der
Existenz
Das
Plakat zur großen Barlach-Kollwitz-Ausstellung hat
ausgedient.
Pfarrer Felix Evers, Gudrun Pflocksch und Armin Bubel
(v.li.)
vom Förderverein Ernst Barlach Museum „Altes Vaterhaus"
stehen
vor der Katholischen Kirche. Hier hatte es eine
Plakatausstellung gegeben.
Foto: Teckenburg
Ratzeburg (te). Mit einem multireligiösen Friedensgebet
im Ratzeburger Dom ist die Ausstellung „Ernst Barlach -
Käthe Kollwitz: Über die Grenzen der Existenz" am
Sonntag zu Ende gegangen. Vertreter von acht
Weltreligionen standen unter Barlachs „Engel" und
sprachen ihre Gebete. „Das geht nur mit dieser Kunst.
Ein würdiger Abschluss", sagte Pfarrer Felix Evers.
Evers ist zugleich Vorsitzender des Fördervereins Ernst
Barlach Museum „Altes Vaterhaus" in Ratzeburg. Zusammen
mit der zweiten Vorsitzenden, Gudrun Pflocksch, und
Schatzmeister Armin Bubel zog er Bilanz nach acht
Ausstellungswochen. Die Ernst
Barlach-Museumsgesellschaft Hamburg hatte in
Zusammenarbeit mit dem Förderverein die Ausstellung
veranstaltet.
„Wir sind zufrieden. Nichts ist schief gegangen", zog
Evers ein positives Resümee. Allein im Dom hatten die
Veranstalter rund 22.000 Besucher gezählt. Viele lobende
Worte sind im Gästebuch zu finden, das im Dom auslag.
„Eine ganz tolle Ausstellung in wunderbarer Umgebung,
sehr, sehr stimmig und ein hochrangiges Begleitprogramm"
ist hier zu lesen oder auch: „Eine beeindruckende und
berührende Ausstellung mit einem interessanten Konzept".
Unter den Besuchern waren auch Gäste aus Südamerika,
Skandinavien, Indonesien, Australien, Spanien und
Italien.
Auch das Begleitprogramm sei sehr gut angenommen worden,
freute sich Evers. Im Schnitt seien jeweils 50 Gäste
dabei gewesen für Ratzeburg sehr viel. Als
Besuchermagnet habe sich wieder die Lesung mit
Literaturnobelpreisträger Günter Grass erwiesen. Von
ganz besonderem Reiz seien, so Evers, die
Veranstaltungen gewesen, die das Werk Barlachs in
Verbindung zu Musik setzen.
„Wir haben auch die Grenzen unserer Existenz erlebt",
sagten Evers, Gudrun Pflocksch und Armin Bubel in
Anlehnung an den Ausstellungstitel über ihre eigenen
Erfahrungen mit ehrenamtlich geleisteter Organisation in
unzähligen Stunden während der vergangenen 17 Monate.
Ihr besonderer Dank geht an die vielen Wächter, die
während der Öffnungszeiten im Dom und in St. Petri
aufgepasst hatten, an die Mitarbeiter der Kirchenbüros,
Küster und alle weiteren Kooperationspartner. An ein
weiteres großes Ausstellungsprojekt denken die
Organisatoren vom Förderverein zurzeit nicht. „Es geht
auch ums Geld", sagte Evers und ist überzeugt: „Gelder
für solch eine Ausstellung sind in den nächsten Jahren
nicht mehr da".
Während die Ausstellungen im Dom, St. Petri und St.
Answer sowie die ergänzende Fotoausstellung im Haus
Mecklenburg ihr Ende gefunden haben, soll die Schau
„Barlach als Dramatiker" im Barlach-Museum noch bis zum
Ende der Saison zu sehen sein. Auch das Jugendprojekt
„Go Young" läuft noch. Eine Jury wird demnächst die
Arbeiten der jungen Teilnehmer sichten. In den
Herbstferien ist eine Ausstellung im Rathaus geplant.
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Foto:
E. G. Burmester |